Christian Angermayer, Apeiron Investment Group, über die internationale KI-Szene, die Möglichkeiten, die sie eröffnet, und warum Deutschland das Potenzial hat, in der ersten KI-Liga mitzuspielen.
BILANZ: Herr Angermayer, welche Rolle spielt der Bereich künstliche Intelligenz in Ihrer Investitionsstrategie?
Christian Angermayer: Das Thema künstliche Intelligenz, verbunden mit den verwandten Bereichen Big Data und Machine Learning, ist einer der wichtigsten Sektoren der nächsten zehn Jahre. Vermutlich sogar der wichtigste. Vor allem weil es sich nicht um ein alleinstehendes Thema handelt, sondern fast alle Sektoren massiv und nachhaltig beeinflusst und verändert werden, vergleichbar mit der Erfindung der Elektrizität oder des Internets. Ein gutes Beispiel ist das Potenzial von Biotech: Mit der Unterstützung von künstlicher Intelligenz wird medizinische Forschung deutlich schneller Resultate erzielen – und damit unser aller Leben verändern. Ich freue mich zum Beispiel auf einige weitere 100 Jahre Lebenszeit – und das wird u. a. dank KI möglich sein.
BILANZ: Sie haben sich unter anderem an der Eschborner Analytikfirma Innoplexus beteiligt, die medizinische Daten für die Pharmaindustrie verarbeitet. Wie gut ist das Angebot an KI-Firmen in Deutschland, bei denen sich eine Investition für Sie lohnen würde?
Angermayer: Bisher leider noch gering. Aber Firmen wie Innoplexus zeigen, dass deutsche Firmen durchaus das Potenzial haben, weltweit in der ersten Liga mitzuspielen. Grundsätzlich sehe ich das Thema KI, aber auch andere sogenannte Deep-Tech-Themen wie zum Beispiel „space tech“, als einmalige Chance für Europa und Deutschland eine Führungsrolle einzunehmen. Wenn man sich die vergangenen 20 Jahre anschaut, kann man vereinfacht sagen: Das waren die Jahrzehnte von E-Commerce und Social Media. Also zwei Themen, die perfekt zum amerikanischen Mindset passen, schließlich sind die Amerikaner geradezu unschlagbar, wenn es um das Verkaufen geht. Das betrifft sowohl Produkte als auch sich selbst. Uns Deutschen ist diese Mentalität eher fremd. Wenn es aber um echte Technik geht, können die Deutschen sehr gut mithalten und sind in vielen Bereichen sogar Marktführer. Unser Know-how und die deutschen Tugenden sind bei Themen wie KI und Deep-Tech daher ein echter Wettbewerbsvorteil.
BILANZ: In den USA haben Tesla und Amazon Milliardensubventionen für KI-Entwicklungen erhalten, das Pentagon investiert massiv in Start-ups. China will 150 Mrd. Dollar für KI ausgeben. Was muss geschehen, damit der KI-Standort Deutschland überhaupt eine Chance gegen diese Supermächte hat?
Angermayer: Aktuell mangelt es in Deutschland am politischen Willen und den entsprechenden finanziellen Ressourcen, um einen deutschen KI-Standort zu ermöglichen. Aus meiner Sicht sollten sich deutsche Gründer daher darauf konzentrieren, die besten Techniken zu entwickeln, und dann eben mit amerikanischen und chinesischen Geldgebern zusammenarbeiten. Auch bei Innoplexus setzen wir auf internationale Co-Investoren, die vor allem aus den USA stammen. Aber es ist nicht nur die Politik, die man kritisieren könnte: Die deutsche Gesellschaft verhält sich sehr ablehnend oder mindestens zurückhaltend gegenüber Investitionen in Technikunternehmen. Nehmen wir den deutschen Privatanleger, der kaum Aktien hat. Wenn dann aber doch an der Börse angelegt wird, dann eher in Apple-Aktien als in heimische Firmen. Deutsche Versicherungen und andere institutionelle Investoren verhalten sich leider nicht anders. Hier müsste die Politik gegensteuern. Ein wirkungsvoller Hebel wäre beispielsweise, Investitionen von Privatanlegern in Aktien deutscher Unternehmen nicht zu besteuern. Und institutionellen Anlegern und Versicherungen sollte erlaubt werden, deutlich mehr Risikokapital zu investieren.
BILANZ: Sie sind weltweit vernetzt: Was haben chinesische oder US-amerikanische KI-Start-ups den europäischen voraus?
Angermayer: Ein deutlich besseres Finanzierungsumfeld. Aber auch ein grundlegend anderes Verständnis hinsichtlich des Potenzials von Investitionen in sogenannte Zukunftsthemen. Nämlich die Aussicht auf potenziell hohe Gewinne und die Chance, einen Wettbewerbsvorteil für den Standort zu schaffen. Was natürlich zudem bei KI beachtet werden muss, ist der Datenaspekt. Denn KI muss „trainiert werden“, und dafür ist eine große Menge an Daten erforderlich. Die USA und vor allem China sind deutlich entspannter, was den Umgang mit Informationen betrifft. Die europäische Panik vor einem mysteriösen Datenmissbrauch ist jedoch Gift für KI.
Der Originalartikel wurde auf Welt.de veröffentlicht.
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